Griechenland und Österreich seit dem 2. Weltkrieg – Historische und Politische Zusammenhänge
Veranstaltungsreihe Frühling 2017
15.3.: NS-Okkupation und Bürger*innenkrieg in Griechenland - Eine Einführung
5.4.: Nachkriegsjustiz im befreiten Europa: Griechenland und Österreich
12.4.: NS-Verbrechen in Griechenland und der Kampf um Entschädigung
22.4.: "The Best Hotel in Europe" - Party in Solidarität mit dem Hotel City Plaza Athen
26.4.: Politischer Aktivismus von Griech*innen in der Diaspora
30.4.: Frauen im Widerstand in Griechenland - Kinonachmittag
Greece and Austria since World War II - Historical and Political Connections.
Lecture series in spring 2017
March 15: Nazi-Occupation and Civil War in Greece - An Introduction
April 5: Post-War Justice in Liberated Europe: Greece and Austria
April 12: Nazi War Crimes in Greece and the Struggle for Compensation
April 22: "The Best Hotel in Europe" - Party in Solidarity with Hotel City Plaza Athens
April 26: Political Activism by Greeks in the Diaspora
April 30: Women in Resistance in Greece - Movie Screening
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An einem Sonntag im Dezember 1944 findet in Athen eine Demonstration zur Befreiung von der NS-Besatzung statt und wird in der Folge von der Britischen Armee angegriffen. Dieses Ereignis steht symbolisch für einen historischen Wendepunkt: In Griechenland führen die politischen Konflikte zwischen der antifaschistischen Widerstandsbewegung und einer Koalition aus Bürgerlichen und NS-Kollaborateur*innen bald zu einem blutigen Bürger*innenkrieg. Auf globaler Ebene markiert dieses Ereignis das Auseinanderbrechen der antifaschistischen Allianz der Alliierten und den Beginn der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg.
Den angesprochenen Sonntag erlebt der spanische Kommunist Jorge Semprún als Häftling im KZ Buchenwald. Er beschreibt den Tag im autobiografischen Roman Quel beau dimanche! - What a Beautiful Sunday! (1980), verknüpft dies mit Erlebnissen an anderen Orten zu anderen Zeiten und erzählt so eine kritische Geschichte der europäischen kommunistischen Bewegung des 20. Jahrhunderts. Die Ereignisse an diesem Wintersonntag in Griechenland werden auch von den Häftlingen in Buchenwald diskutiert, eine Person kommentiert: „What a Shitty Sunday!“
Der Titel unserer Veranstaltungsreihe ist von diesem Roman inspiriert, der Zweite Weltkrieg und die Zeit danach wird aus einer transnationalen, europäischen Perspektive erzählt. Kommunisten verschiedener Länder diskutieren in einem NS-Konzentrationslager über die griechische Politik. Demgegenüber erzählen dominante Erinnerungskulturen Geschichte aus einer rein nationalen Perspektive. In Österreich bleibt Griechenland und der 'Balkan' in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus meist ausgeblendet. Diese Perspektive wollen wir in der Veranstaltungsreihe kritisch hinterfragen, verdrängte oder vergessene Aspekte der Geschichte des Zweiten Weltkriegs beleuchten und auch die Geschehnisse der Folgejahrzehnte betrachten.
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One Sunday in December 1944 a demonstration for the liberation of Nazi-occupation in Athens is attacked by the British Army. This incident stands symbolically for a historical turning point: In Greece the political conflicts between the antifascist resistance movement and a coalition of conservative groups and former Nazi-collaborators lead to a bloody civil war in the following years. On a global level this incident marks the disintegration of the antifascist alliance of the Allies and the beginn of the polarized political divisions during the Cold War.
This sunday the spanish communist Jorge Semprún was held in the Nazi-concentration camp, Buchenwald. He describes this day in his autobiographic novel Quel beau dimanche! - What a Beautiful Sunday! (1980) and connects it also to memories of different places and times – the book tells the story of the European communist movement in the 20th century. The events in Greece on this winter sunday are also discussed by the prisoners in Buchenwald – one comrade comments: „What a Shitty Sunday!“
The title of our lecture series is inspired by this book, it illustrates the transnational, european dimension of the Second World War – Communists from different countries discuss about Greek politics in a Nazi-concentration camp. Dominant historical narratives – in contrast – tell history from a solely national perspective. In the analysis of National Socialism in Austria the historical connections to Greece and the 'Balkans' are excluded. We aim to critically challenge this notion and shed light on repressed or forgotten aspects of the Second World War as well as discussing about events in the following decades.
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Mittwoch, 15.3., 19h: NS-Okkupation und Bürger*innenkrieg in Griechenland – Eine Einführung
Im April 1941 wird Griechenland vom Großdeutschen Reich angegriffen und besetzt. Die Besatzungspolitik zielt auf die ökonomische Ausbeutung Griechenlands, der wachsende Widerstand wird mit brutalen Repressalien beantwortet, die jüdische Bevölkerung deportiert und weitgehend vernichtet. Nach dem Abzug der Wehrmacht im Herbst 1944 verschärfen sich die politischen Konflikte zwischen der antifaschistischen Widerstandsbewegung und einer Koalition aus Bürgerlichen und ehemaligen Kollaborateur*innen. Diese kulminieren schließlich in einem blutigen Bürger*innenkrieg von 1946 bis 1949, den die Rechte – mit Unterstützung Großbritanniens und den USA - gewinnt. Neben einem Überblick über die Geschehnisse gehen wir auch auf den Umgang mit dieser Vergangenheit in den Folgejahrzehnten – in Griechenland sowie in Österreich – ein.
mit Leonie Joppich, Philipp Jung, Sissi Luif und Barbara Steiner (present:history)
Ort: que[e]r, Wipplingerstraße 23 1010 Wien // Sprache: Deutsch
Wednesday, March 15, 19h: Nazi-Occupation and Civil War in Greece – An Introduction
In April 1941 Nazi-Greater Germany attacks and occupies Greece. The politics of occupation aim at the economic exploitation of the country, the occupiers commit brutal reprisals and massacres against the civilian population in reaction to the growing resistance movement, the jewish communities are deported and nearly totally annihilated. After the withdrawal of the 'Wehrmacht' in autumn 1944 the political conflicts between the antifascist resistance movement and a coalition of Conservatives and former Nazi-collaborators sharpen. Finally they lead to a bloody civil war from 1946 to 1949, that the right-wing groups, supported by Great Britain and the US, win. We will give an overview about the events and also talk about how this history was dealt with in the forthcoming decades – in Greece as well as in Austria.
Leonie Joppich, Philipp Jung, Sissi Luif, Barbara Steiner (present:history)
Location: que[e]r, Wipplingerstraße 23 1010 Vienna // Language: German
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Mittwoch, 5.4. 19h: Nachkriegsjustiz im befreiten Europa: Griechenland und Österreich
In der Zeit unmittelbar nach der militärischen Niederlage des Nationalsozialismus gibt es in Griechenland wie in Österreich Bestrebungen seitens des Staates, NS-Täter*innen und Kollaborateur*innen vor Gerichten zur Verantwortung zu ziehen. In beiden Ländern wird die gerichtlichen Ahndung von NS-Verbrechen jedoch nach wenigen Jahren zugunsten einer gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Täter*innen eingestellt. Die beiden Vortragenden werden auf die Geschichte der Nachkriegsjustiz in beiden Ländern eingehen, Gründe dieser Entwicklungen aufzeigen und anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede diskutieren.
Winfried R. Garscha (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands / Forschungsstelle Nachkriegsjustiz) und Dimitris Kousouris (Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Universität Wien)
Ort: Veranstaltungsraum Dokumentationsarchiv, Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien (Eingang im Hof) // Sprache: Englisch
in Kooperation mit der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
die Veranstaltung ist online zum Nachschauen hier
Wednesday, April 5, 19h: Post-War-Justice in Liberated Europe: Greece and Austria
Following the military defeat of National Socialist Greater Germany the Greek and Austrian state start efforts to hold accountable Nazi perpetrators and collaborators before the courts . However, in both countries the legal persecution of Nazi-crimes is soon suspended in favor of a reintegration of former perpetrators into society and state. The two speakers will give an input on post-war justice in Greece and Austria and the reasons for this development to later discuss about similarities and differences in the history of both countries.
Winfried Garscha (DÖW – Documentation Centre of the Austrian Resistance / Austrian Research Agency for Post-War Justice) and Dimitris Kousouris (Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, University of Vienna)
Location: Veranstaltungsraum Dokumentationsarchiv, Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Vienna (entrance in the courtyard) // Language: English
in cooperation with the Austrian Research Agency for Post-War Justice
Find the video of this lecture online here
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Mittwoch, 12.4., 19h: NS-Verbrechen in Griechenland und der Kampf um Entschädigung
Am 10.Juni 1944 verübt eine SS-Einheit ein Massaker im zentralgriechischen Ort Distomo, 218 Dorfbewohner*innen werden ermordet. Distomo steht dabei symbolisch für zahlreiche Massaker, die von SS- und Wehrmachtseinheiten in Griechenland verübt wurden. Bis heute hatten diese Kriegsverbrechen keinerlei rechtliche Konsequenzen in Deutschland oder Österreich, weder wurden die Täter verurteilt noch die Opfer entschädigt. Der Arbeitskreis Distomo setzt sich für die Aufarbeitung derdieser Vergangenheit in Deutschland ein, fordert Entschädigungsleistungen für NS-Opfer und unterstützt Klagen von Überlebenden. AK Distomo arbeitet auch mit slowenischen Opferverbänden zusammen, die für Entschädigunszahlungen für Betroffene der Germanisierungspolitik und Zwangsarbeit im Großdeutschen Reich kämpfen. AK Distomo wird einen Überblick über die NS-Entschädigungspolitik in der BRD geben, sowie von laufenden und geplanten Aktivitäten erzählen.
AK Distomo (Hamburg)
Ort: que[e]r, Wipplingerstraße 23 1010 Wien // Sprache: Deutsch
Wednesday, April 12, 19h: Nazi War-Crimes in Greece and the struggle for compensation
On June 10 1944 members of the Waffen-SS commit a massacre in the town of Distomo in Central Greece where they brutally murder 218 of the town's inhabitants. Distomo stands symbolically for numerous massacres committed by units of the SS and Wehrmacht during the Nazi occupation of Greece. Until today these war crimes didn't have any legal consequences in Germany or Austria - neither were the perpetrators convicted, nor did the victims receive any form of compensation. The group AK Distomo supports legal actions by victims of the massacre in Distomo, advocates for compensation payments for all Nazi-victims in Greece and demands a discussion of this past by the German state and society. AK Distomo also works together with Slovenian victims' associations who demand compensation for the victims of Germanization-policies and forced labour during the Nazi-occupation. AK Distomo will give an overwiew about the politics of compensation in Germany since 1945 as well as present their ongoing and planned activities.
AK Distomo (Hamburg)
Location: que[e]r, Wipplingerstraße 23 1010 Vienna // Language: German
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Samstag, 22.4., 21h: "The Best Hotel in Europe" - Party in Solidarität mit dem Hotel City Plaza in Athen
Im April 2016 besetzen Aktivist*innen ein leerstehendes Gebäude, das ehemalige „Hotel City Plaza“ im Zentrum von Athen. Seitdem ist das „Beste Hotel Europas“ ein selbstorganisierter Raum, einerseits Wohnprojekt von und für Geflüchtete aus verschiedenen Teilen der Welt, andererseits ein Ort der politischen Vernetzung. Hotel City Plaza ist praktischer Widerstand gegen die rassistische, mörderische Politik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Die kürzlich erfolgte Räumung von zwei sozialen Zentren in Athen durch die Polizei zeigt, wie bedroht solche Strukturen momentan sind. Wir sind in Solidarität mit dem Hotel City Plaza und allen antirassistischen Kämpfen! Alle Einnahmen der Party gehen ans Hotel City Plaza.
mit: Julie Anastassiou, Mieze Medusa und Tenderboy, Refpolk & Daisy Chain, eklextasy (Viennese DJ-Team)
in Kooperation mit precarity office Vienna
Ort: Cafe Concerto, Lerchenfeldergürtel 53, 1160 Wien
Saturday, April 22, 21h: "The Best Hotel in Europe" - Party in Solidarity with Hotel City Plaza in Athens
In April 2016 activists occupy an empty builing in the Centre of Athens, a former hotel. Since then, the „Best Hotel of Europe“ is a self-organized space, a housing project from and for refugees and a place for political exchange and activism. The Hotel City Plaza is practical resistance against the racist, murderous policies of the EU and its' member states. The recent evictions of two social centres in Athens by the police show how threatened structures of solidarity are at the moment. We are in solidarity with the Hotel City Plaza and all antiracist struggles! The money we will make at the party will go to Hotel City Plaza.
with Julie Anastassiou, Mieze Medusa und Tenderboy, Refpolk and Daisy Chain, eklextasy (Viennese DJ-Team)
in cooperation with precarity office Vienna
Location: Cafe Concerto, Lerchenfeldergürtel 53, 1160 Wien
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Mittwoch, 26.4., 19h: Politischer Aktivismus von Griech*innen in der Diaspora
Nach dem Ende des Bürger*innenkriegs verlassen die besiegten Kämpfer*innen der Demokratischen Armee sowie viele Zivilist*innen Griechenland und suchen Zuflucht in den umliegenden Staaten. Der Vortrag wird auf die Reiserouten der Geflüchteten und die Entstehung von Gemeinden der politischen Flüchtlinge in Osteuropa - von Usbekistan bis zur DDR - eingehen. Weiters wird die Politik des griechischen Staates gegenüber politischen Flüchtlingen thematisiert, darunter die Entscheidung zum Entzug der Staatsbürger*innenschaft und die Bemühungen der Flüchtlinge wieder nach Griechenland zurückkehren zu können, was erst in den 1970ern und 1980ern möglich wurde. Der Blick auf die Diaspora-Gemeinden ermöglicht ein tiefergehendes Verständnis über die transnationalen Netzwerke der griechischen Linken und die schwierige Welt der Exilierten, Geflüchteten und „displaced persons“ in der Ära des Kalten Kriegs.
Kostis Karpozilos, Ioanna Vogli (ASKI - Contemporary Social History Archives Athen)
Ort: KSŠŠD - Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju, Mondscheingasse 11, 1070 Wien // Sprache: Englisch
Hier gehts zum Video der Veranstaltung!
Wednesday, April 26, 19h: Political Activism by Greeks in the Diaspora
Following the end of the Civil War the defeated fighters of the Democratic Army and a large number of civilians crossed the Greek borders and sought refuge in the neighboring countries. This talk will elucidate their itinerary and the formation of political refugee communities across Eastern Europe, ranging from Uzbekistan to East Germany. More particularly we will highlight the policies of the Greek state towards political refugees, its decision to strip off their citizenship, and their efforts to repatriate to Greece, which became possible only in the 1970s and 1980s. Therefore these diasporic communities offer an alternative understanding of the transnational networks of the Greek Left and the complicated worlds of exiles, refugees and displaced persons in the Cold War era.
Kostis Karpozilos, Ioanna Vogli (ASKI - Contemporary Social History Archives Athen)
Location: KSŠŠD - Klub slovenskih študentk in študentov na Dunaju, Mondscheingasse 11, 1070 Vienna // Language: English
Find a video of the lecture online here
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Sonntag, 30.4., 13h: Kinonachmittag - Frauen im Widerstand in Griechenland – Dokus von Alinda Dimitriou
Wir zeigen drei Dokumentarfilme der Regisseurin Alinda Dimitriou, die den politischen Aktivismus und Widerstand von Frauen in Griechenland vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse portraitieren. Der erste Film „Birds in the Mire“ (2008, 104min) zeigt Berichte von Frauen, die im Widerstand gegen die NS-Besatzung (1941-1944) aktiv waren. Anschließend zeigen wir den Film „ Among the Rocks“ (2009, 98min), der die Zeit des Bürger*innenkriegs (1946-1949) thematisiert und Widerstand, Flucht und Verfolgung von Frauen aufzeigt. Der letzte Film „The Girls in the Rain“ (2011, 120min) dreht sich um die Zeit der Militärdiktatur in Griechenland (1967-1974) und zeigt Frauen, die im politischen Widerstand aktiv waren bzw. zu dieser Zeit politisiert wurden.
Einführung von Katerina Anastasiou
Ort: Akademie der Bildenden Künste – Depot 2.OG, Lehargasse 6-8 1060 Wien // Sprachen: Deutsch, Griechisch
Sunday, April 30, 13h: Movie-Screening: Women in Resistance in Greece – Documentaries by Alinda Dimitriou
We show three documentaries by the director Alinda Dimitriou, dealing with political activism and resistance of women in contemporay Greece. The first movie „Birds in the mire“ (2008, 104mins) portrays women who where active in the resistance movement against the Nazi-occupation of Greece from 1941-1944. The second movie „Among the Rocks (2009, 98mins) deals with the civil war (1946-1949) and tells the stories of women who resisted, were persecuted and forced to flee the country. Finally we will show the movie „The Girls in the Rain“ (2011, 120mins) which looks at the period of the military dictatorship in Greece (1967-1974). It shows women who were politically active already before and others who were politicized during this time.
Introduction by Katerina Anastasiou
Location: Academy of Fine Arts – Depot, 2nd floor, Lehargasse 6-8, 1060 Vienna // Languages: German, Greek
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Wir danken für die Unterstützung der Veranstaltungsreihe durch // We thank the following institutions for their support:
Österreichische Hochschüler*innenschaft - Topf für Sonderprojekte
ÖH Uni Wien - Topf für Sonderprojekte
Fakultätsvertretung Geisteswissenschaften, Uni Wien
Fakultätsvertretung Human- und Sozialwissenschaften, Uni Wien
Institutsgruppe / Studienvertretung Geschichte, Uni Wien