Ustaša-Regime, Holocaust und Geschichtsaufarbeitung, Studienreise nach Kroatien, 18.-24. September 2022

Reisebericht

Vom 18. bis 24. September 2022 unternahmen wir mit 22 Teilnehmenden eine Geschichtsreise nach Kroatien, um uns vor Ort mit dem Ustaša-Regime, dem Holocaust im Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) und den heutigen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg auseinanderzusetzen. Dabei konnten wir mit engagierten Historiker:innen und antifaschistischen Aktivist:innen über historische, aber auch aktuelle Fragestellungen diskutieren.

Zum Einstieg hörten wir ein Vortrag von Ivo Goldstein, Professor an der Universität Zagreb, der uns einen Überblick über die allgemeinen Entwicklungen in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs bot. Im Anschluss daran führten uns die Historiker Karlo Držaić und Saša Vejzagić durch Zagreb. Wir erfuhren von ihnen über antifaschistische Kämpfe in Zagreb, die illegalisierten Aktionen von Antifaschist:innen und den Repressionsapparat des Ustaša Regimes. Dabei wurde deutlich, dass die Erinnerung an antifaschistische Aktionen im NDH in den letzten Jahrzehnten an Sichtbarkeit verlor. Viele Plaketten, die während des sozialistischen Jugoslawien aufgehängt wurden, wurden abgehängt oder zerstört.

Am nächsten Tag besichtigten wir mit der Historikerin Tena Banjeglav den Gedenkpark Dotrščina im Norden von Zagreb. Abstrakte Denkmäler erinnern dort an Antifaschist:innen, die von Anhängern der Ustaša zwischen 1941 und 1945 an diesem Ort ermordet wurden. Der Park dient heute als Erholungsgebiet und wird von vielen Besucher:innen nicht als Gedenkort wahrgenommen. Am Nachmittag stellte uns der Fotograf Davor Konjikušić sein Buch „Rotes Licht der jugoslawischen Partisanenfotografie“ vor, in dem zahlreiche Fotografien von und mit Partisan:innen veröffentlicht sind. Diese zeigen beeindruckende Szenen aus dem Alltag einer sozialen Bewegung, die immer größere Bevölkerungsgruppen umfasste und schließlich zu einer Massenbewegung gegen den Faschismus anwuchs.

Der vierte Tag unserer Reise begann mit einem Vortrag von Danijel Vojak über die Geschichte der Rom:nija in Kroatien sowie über den Holocaust. Im darauffolgenden Gespräch diskutierten wir u. a. die fehlende Forschung über die Verbrechen gegen Rom:nija in Kroatien, die Schwierigkeit der Eigentumsrestitution von Nachfahr:innen der Opfer sowie die heutige Lage und die fortwährende Stereotypisierung. Am Nachmittag trafen wir uns erneut mit Tena Banjeglav, die uns Orte der jüdischen Geschichte Zagrebs zeigte, die zum großen Teil nur noch versteckt und durch Erläuterungen sichtbar werden.

Am Abend unterhielten wir uns mit antifaschistischen Aktivist:innen aus Zagreb und Wien. Ein gemeinsames Thema war das jährliche Treffen im österreichischen Dorf Bleiburg, das bis 2021 stattfand. Das Treffen gedenkt Erschießungsaktionen kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, bei dem Partisanen Nazi-Kollaborateure töteten. Das jährlich stattfindende Bleiburgtreffen erlebte seit den 2000er Jahren großen Auftrieb und wurde etwa in den kroatischen Medien übertragen. Zehntausende versammelten sich dort. Neben Vertreter:innen der kroatischen Regierung nahmen an den Treffen Neo-Ustaša, Vertreter der katholischen Kirche und Nationalist:innen teil.

Am darauffolgenden Tag besuchten wir die Gedenkstätten Donja Gradina in Bosnien-Herzegowina und Jasenovac in Kroatien, die zu jugoslawischer Zeit noch eine gemeinsame Gedenkstätte waren. Durch den Krieg in den 1990er Jahren und die neu entstandene Grenze wurde sie jedoch geteilt. Im Vergleich wurde sichtbar, dass die Gedenkstätten unterschiedliche Geschichtsnarrative verfolgen. Während man sich in Donja Gradina, das im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas gelegen ist, eng an die jugoslawische Erzählung von ca. 700 000 Ermordeten hält, wird in der kroatischen Gedenkstätte Jasenovac von ca. 80 000 Opfern ausgegangen, die alle namentlich genannt werden.

Am letzten Tag waren wir zu Gast beim Serbischen Nationalrat (SNV) und sprachen dort über die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die heutige Situation von Serb:innen in Kroatien. Nach den Kriegen in den 1990er Jahren wurde die Erinnerung an den kommunistischen Antifaschismus in Kroatien verdrängt und das sozialistische Jugoslawien abgewertet. Gleichzeitig wurden die kroatischen Serb:innen zur Minderheit, was sich auf ihre Lebensverhältnisse auswirkte. Viele der von Serb:innen bewohnten und während der Jugoslawienkriege zerstörten Häuser wurden nicht wieder aufgebaut. Die Infrastruktur in serbisch dominierten Ortschaften ist weiterhin mangelhaft. Den Abschluss unserer Reise bildete ein üppiges Abendessen mit Live-Musik im mazedonischen Restaurant Merak.

 


Reiseorganisation und -begleitung: Dr. Dirk Auer, Dr. des Kathrin Jurkat und Dr. Boris Stamenić

Fotos von Dirk Auer und Kathrin Jurkat

In Kooperation mit dem Verein balkan:biro

Wir danken für die freundliche Unterstützung des Projekts durch: